Auswirkungen der neuen Sprungtechniken (09.09.2004)
Beobachtungen während der Deutschen Rollkunstlauf-Meisterschaft
in Saarbrücken
(Bei diesem Beitrag handelt es sich um einen Auszug aus dem Artikel "Rollkunstlauf
mit Hindernissen - Stolzenberg siegt, Albiez dreht durch" über die Deutsche
Meisterschaft 2004 im Heft 7/2004 des Eissport-Magazins.)
von Sepp Schönmetzler
Sportlich gesehen enthielt die DM2004 ein paar sehenswerte Höhepunkte,
wenngleich sich der allgemeine Leistungsstand der deutschen Rollkunstläufer nicht
gerade als berauschend erwies, was in der Zukunft international zu weiteren
Einbrüchen führen dürfte. Außerdem tut der DRIV gut daran, seine Läufer bei der
Fortführung ihrer Karrieren kräftig zu unterstützen, denn kaum einer der Besten
kann derzeit von Jüngeren ersetzt werden.
Natürlich war es besonders interessant, die sprungtechnischen Folgen der neuen
Rollkunstlaufregeln aufzuspüren, die im letzten Jahr auch in Form massiver Eingriffe
in die Technikschulung der Läufer vom DRIV eingeführt worden waren (siehe
Kommentar im Eissport-Magazin Heft 7/03). Zumindest einige der dort
veröffentlichten Befürchtungen haben sich bereits jetzt als stichhaltig erwiesen.
Als herausragendes Beispiel kann man die zum großen Teil misslungenen Versuche
nennen, den als „Rittberger“ bezeichneten Sprung gemäss den DRIV-Regeln zu
präsentieren. Im Grunde müssten die Rollkunstläufer für den in einer blödsinnigen
Ausführungsvariante geforderten Sprung nicht Rittberger, sondern vielleicht
„Einfach-, Doppel- oder Dreifach-Bork“ nennen, denn mit dem ursprünglichen
Rittberger hat er nicht viel gemeinsam. Die Technik, bei der die Läufer gezwungen
werden, das Spielbein beim Absprung am Standbein vorbei in die allgemeine
Bewegungsrichtung vorauszuschleudern, zerstört einen harmonischen und
biomechanisch zweckmäßigen Bewegungsablauf und hat inzwischen durch
unnötige Fehlversuche und Stürze bereits einen viel zu hohen Preis gefordert.
Lutz und Flip sind in den meisten Fällen nicht mehr voneinander zu unterscheiden,
was die Verantwortlichen des DRIV nicht zu stören scheint, denn nach Aussagen der
Läufer und Trainer legt man offiziell auch international nur noch Wert darauf, dass
man den Sprung bei der Vorbereitung erkennt, d.h., nur noch die Absicht ist
entscheidend, nicht mehr das Gelingen. Nun bleibt die Frage, warum sich die Läufer
mit der schwierigeren Version eines echten Lutzes herumplagen sollen.
Auch beim Toeloop zeigen sich gravierende Folgemängel eines falschen
Technikverständnisses, denn der wird immer häufiger nicht von rückwärts, sondern
von vorwärts abgesprungen. Da das mit höheren Geschwindigkeiten beim
‚Einstechen‘ mit dem Absprungfuß wegen des erheblichen Bremsstoßes
unweigerlich zum Kippen, Aufreissen oder gar zum Sturz führt, springen die meisten
Läufer den Toeloop fast aus dem Stand, so dass er eigentlich„TAxel“ heißen müsste
und für echte Kombinationen nicht mehr zu gebrauchen ist.
Ein weiterer schwerwiegender Fehler zeigte sich in der mangelhaften
Schwungbewegung des Spielbeins beim Axel, was zu flachen und deshalb
unsicheren und unattraktiven Sprüngen führt und die Gesamtentwicklung
entscheidend hemmt.
Interessant ist die Äußerung des Bundestrainers Leonardo Lienhardt, der nach wie
vor betont, die Technikvorschriften würden lediglich für Tests gelten und ihm sein es
egal, welche Technik ein Läufer benutze, Hauptsache sei, er stehe den Sprung. Da
Technikdiskussionen nicht möglich sind, kann man nur vermuten, dass Teile seiner
Lehrweise von Funktionären falsch bzw. überinterpretiert und zu Dogmen erhoben
werden. Der Sinn von Lienhardts Aussage, er mache es seinen Schülern zuerst
immer schwerer, was ihnen aber später zugute käme, lässt sich in diesem
Zusammenhang nur sehr schwer oder gar nicht erkennen.
Als Folge einer fragwürdigen Sportpolitik muss sich der DRIV jetzt schon mit einem
weiteren gravierenden Problem herumschlagen, denn die sehr mageren
Starterzahlen signalisieren mehr denn je zuvor einen existenzgefährdenden
Interessenrückgang beim männlichen Nachwuchs, was sicher auch auf das
mittelalterlich anmutende Pflichtlaufen zurückzuführen ist. In den so wichtigen
Klassen Schüler A waren sechs, bei B und C keine Kürläufer gemeldet und es
zeigen sich keine Ansätze beim Fachverband, dem Image dieser schönen Sportart
endlich durch zeitgemäße Maßnahmen auf die Sprünge zu helfen.
Trotz aller sportfachlichen Probleme machte die fröhliche und begeisterungsfähige
Rollkunstlaufgemeinde im üblichen familiären Rahmen auch aus dieser DM2004
eine interessante und gelungene Sportveranstaltung, bei der sie sich als
bodenständige und nach außen verschworene Gemeinschaft erwies.
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